WS12 EI-EINS’17

Energieinformatik und -informationssysteme 2017

Die Energiewende mit ihren Zielen für die Umstellung des Energiesystems auf nachhaltige Energieträger bis zum Jahr 2050 führt zu einschneidenden Veränderungen im bisherigen elektrischen Energieversorgungssystem bzw. zu einem Paradigmenwechsel bei Planung und Betrieb. War die bisherige Erzeugung im Wesentlichen am Bedarf ausgerichtet, so wird man in Zukunft vermehrt versuchen, den Bedarf an das volatile Dargebot der erneuerbaren Energien anzupassen. Da die hierfür zu flexibilisierenden Verbrauchsanlagen – z.B. Speicher, Elektromobilität, Wärmepumpen, Mikro-BHKWs – zu einem signifikanten Anteil in den Verteilnetzen angeschlossen sind, ist mit maßgeblichen Investitionen in intelligente Leitsysteme in diesem Bereich zu rechnen. Der Umbau zu einem intelligenten Netz ermöglicht eine Vielzahl neuer IT-gestützter Dienstleistungen, welche die Flexibilität von Lasten und Erzeugern ausnutzen, um einen signifikanten volkswirtschaftlichen Nutzen zu generieren. Bei diesem Transformationsprozess spielen jedoch nicht nur technologische Aspekte, sondern auch die Einbindung der Konsumenten eine wichtige Rolle. Daher liegt das Augenmerk nicht nur auf der Entwicklung, Bewertung und Anwendung neuer Technologien, sondern auch auf der Wechselwirkung dieser mit den Nutzern dieser Komponenten. Relevante Konzepte und Komponenten in der Energieversorgung erfordern eine Berücksichtigung und Anpassung der Regulierung, um das Potenzial IT-gestützter intelligenter Energieversorgungssysteme vollständig zu heben. Die Herausforderungen sind dabei nicht auf den Sektor „Strom“ begrenzt, vielmehr steigt der Bedarf, die Herausforderungen von Strom-, Gas- und Wärmeversorgung sowie Mobilität integriert anzugehen.

Die (Energie-)Informatik steht hier nicht nur in der Verantwortung, die „Systemintelligenz“ zu liefern – Algorithmen zur adaptiven Steuerung und kontinuierlichen dynamischen Optimierung des komplexen und sehr umfangreichen (europäischen) Energieversorgungssystems, Verfügbarmachen von Informationen für wirtschaftliche Dienstleistungen etc. – sondern stellt auch die Methoden bereit, „Systemkompetenz“ zu schaffen und zu orchestrieren (Komplexitätsbeherrschung durch Dekomposition und Abstraktion, Identifikation von und Fokussierung auf verallgemeinerbare Prinzipien, Suchen von Entkopplungspunkten für effektive Governance, Vermeidung von Bottlenecks etc.) Im Rahmen des Workshops werden innovative IT-gestützte Ansätze, welche die o.g. Herausforderungen adressieren, vorgestellt und diskutiert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Entwicklung von Dienstleistungen in diesem hoch innovativen IT-getriebenen Umfeld. Themenschwerpunkte:

Algorithmen

  • Koordination dezentraler Erzeuger und Verbraucher wie z.B. Supply Demand Matching und Demand Side Management
  • Multiagentensysteme, autonome Systeme, verteilte künstliche Intelligenz, Selbstorganisationsverfahren
  • Energieträgerübergreifende Ansätze in der Energiesystemoptimierung (z.B. Power-2-Gas, Hybridnetze etc.)
  • Energiedatenanalyse

Software- und Systemarchitekturen

  • Informationstechnische Einbindung dezentraler Energiesysteme
  • Standards und Informationsmodelle sowie Referenzmodelle und -architekturen in der Energiewirtschaft
  • Service Architekturen für Energiedienstleistungen
  • Kommunikationstechnologien, Standards und Protokolle

Ökonomische Aspekte und Nachhaltigkeit

  • Auktions- und Markt-Design für zukünftige Energiesysteme
  • Geschäftsmodelle und -potenziale
  • Akzeptanz- und Verhaltensaspekte von Marktteilnehmern
  • Anreizsysteme, Tarifmodelle und Preismechanismen
  • Nachhaltigkeit im Verkehr (Elektromobilität, Fahrgemeinschaften, etc.)
  • Wirtschaftliche Bewertung von Energiesystemen
  • Governance und regulatorische Aspekte

Zuverlässigkeit, Sicherheit und Vertraulichkeit

  • Erfassung, Analyse und Nutzung von Energiedaten
  • Schutzmechanismen und -niveaus für verbindliche, hochfrequente Markttransaktionen
  • Aspekte der Versorgungsqualität (Integration von Informatik und Regelungstechnik, Anforderungen bzgl. Stabilität und Echtzeit)

Modellbildung und Simulation, z.B.

  • (Co-)Simulationsansätze zur Bewertung von Planungs- und Steuerungsansätzen
  • Modellierung zukünftiger Energieversorgungssysteme
  • Testen und Verifikation von Smart Grid-Komponenten und -Systemen

Dienstleistungen und spezifische Anwendungen, z.B.

  • Einbindung und Koordination der Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen
  • IT und Services für Elektromobilität/intermodale Mobilitätssysteme
  • Verteilnetzautomatisierung, Leitsystemintegration
  • Nutzungsansätze für digitale Haushaltszähler

Industrielles Lastmanagement/Energiemanagement (im Kontext von Industrie 4.0)

Organisation

Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, OFFIS – Institut für Informatik (Ansprechpartner)
Prof. Dr. Clemens van Dinther, Hochschule Reutlingen – ESB Business School
Prof. Dr, Hermann de Meer, Universität Passau
Prof. Dr. Hartmut Schmeck, KIT
Prof. Dr. Anke Weidlich, Hochschule Offenburg